Keine Kerb 2020 und keine Kerbburschen vor fünfzig Jahren
„Wem is die Kerb?“ sollte es eigentlich nach alter Väter Sitte am letzten Augustwochenende jedes Jahr aus dem Mund der Kerbburschen erschallen. Aber dem ist dieses Jahr nicht so (wegen des Coronavirus) und so war es auch vor 50 Jahren nicht. Und auch nicht vor 51 Jahren.
Im Jahr 1969 standen von dem ohnehin geburtsschwachen Jahrgang 1950/51 viele der jungen Männer unmittelbar vor ihrer Gesellenprüfung, die sie verständlicherweise einer Kerbburschenverpflichtung vorzogen. Der Athletenverein 1910 hatte alle Vorkehrungen für die Kerb getroffen. Parallel zur Halle war ein Festzelt für 700 Gäste errichtet worden. In der Sport- und Kulturhalle spielten für die Teens und Twens zum Tanz am Samstag und Sonntag die Kapelle „The Regines“ und am Montag die Kapelle „Manuela“. (Quelle Schaafheimer Anzeiger Nr. 34 vom 22. August 1969.) In den Gaststädten wurde reichlich gefeiert. Die reifere Jugend war mehr für Blasmusik im „Frankfurter Hof“ oder einen guten Tropfen zu begeistern. (Schaafheimer Anzeiger Nr. 35 vom 29. August 1969.)
Für die Kerb vom 29.-31.08.1970 hatten sich wieder keine Kerbburschen gefunden. Pächter der Sport- und Kulturhalle war der Gastwirt Ludwig Otto Sauerwein vom „Laternchen“. Die Veranstalter, Familie Ludwig O. Sauerwein, luden für Samstag und Sonntag zum Tanz mit dem „Tip-Top-Club“ und am Montag mit „The King Brothers“. Neben der Halle stand ein Festzelt für 800 bis 1.000 Personen.
„Nicht zuletzt aber haben sich auch die hiesigen Gastwirtschaften auf Massenbesuch eingestellt, so daß alt und jung zufriedengestellt werden können.“, berichtet die Schaafheimer Zeitung am Kerbfreitag. In den Gaststätten „Frühlingsau“, „Schützenhof“, „Hessischer Hof“ und „Zur Waldeslust“ trafen sich ehemalige Kerbburschenjahrgänge. (Quelle: Schaafheimer Anzeiger Nr. 35 vom 28.08.1970.)
Von den genannten Gaststädten wird nur noch der „Schützenhof“ bewirtschaftet.
Nachdem in den Jahren 1969 und 1970 jeweils am Kerbwochenende im August zwei Jahre hintereinander keine Kerbburschen durch Schaafheims Gaststätten zogen, kein Kerbzug durch Schaafheims Straßen ging, kein Kerbspruch mit den Neuigkeiten und Ereignissen des Jahres vom Fenster der Kulturhalle gehalten wurde und kein Gläschen zerbrach, richteten die Kerbburschen von 1968 einen Aufruf an den Jahrgang 1952/53.
Nachstehend die wörtliche Wiedergabe im Schaafheimer Anzeiger Nr. 36 vom 04. September 1970:
Schade um die Kerb!
„Schaafheim feiert seine Kerb“, so lautete in der letzten Ausgabe die Überschrift eines Artikels, in dem unter anderem geschrieben wurde, daß die Schaafheimer auch ohne Kerbburschen und allem was dazu gehört die Kerb zu feiern wüßten. Doch hatten die meisten Schaafheimer Bürger bestimmt das Gefühl, daß genau wie im vorigen Jahr an der Kerb die Hauptsache fehlte, nämlich die Kerbburschen, der Kerbzug und vor allem der Kerbspruch.
Für den, der nicht in unmittelbarer Nähe der Kulturhalle wohnt, unterschied sich der Kerbsonntag durch gar nichts von irgendeinem anderen. Während vor zwei Jahren viele Schaulustige auf den Kerbzug warteten, waren diesmal die Straßen fast menschenleer, und wo früher der Kerbspruch viel Beifall fand, konnte man nur Schaustellerwagen bewundern.
Wir glauben, wohl im Interesse aller Schaafheim zu handeln, wenn wir an die entsprechenden jungen Männer appellieren, diese schöne Tradition nicht aussterben zu lassen.
Die Auffassung, daß man sich mit dem Verbliebenen trösten sollte, ist zwar sehr bequem, darf jedoch nicht zur Gewohnheit werden. Warum sind die betreffenden Jahrgänge nicht in der Lage, das zustande zu bringen, was vor zwei Jahren und Jahrzehnte vorher den anderen noch möglich war? An aktuellen Geschehen für den Kerbspruch wird es in Schaafheim nie fehlen. Und wer den Mut dazu hat, lange Haare zu tragen, sollt auch den Mut dazu aufbringen, den Kerbspruch vorzutragen und überhaupt bei den Kerbburschen mitzuwirken. Es ist bestimmt keine Schande, sondern eine Ehre, diese Überlieferung fortzuführen.
Deshalb der Aufruf an den Jahrgang 1952/53: Laßt die Scheffemer Kerb 1971 wieder in altgewohnter Weise hochleben.
Die Kerbburschen von 1968, die hoffentlich nicht die letzten waren.
Quelle: Schaafheimer Zeitung Nr. 35 / 27. August 2020