Der Veranstalter der Kerb vom 28.08. bis 30.08.1971 war der FC Viktoria und lud samstags und sonntags zum Tanz in die Sport- und Kulturhalle mit der LMK-Combo ein. Montags spielte das Gloria-Sextett zum Tanz ebenfalls in der Kulturhalle. Wer damals einen Sitzplatz in der Halle wollte, musste um 19.00 Uhr am Halleneingang stehen. Selbstverständlich war auch ein Kerbzelt aufgebaut.
Im Schaafheimer Anzeiger Nr. 34 vom Freitag, 27.08.1971 luden der FC Viktoria und auch die Schausteller ein. Letztere boten einen modernen, großen Vergnügungspark mit Autoskooter, Kinderkarussell mit Konzertnotenorgel, Verlosungs- und Schießhallen, Spielautomaten sowie Süß- und Spielwarenverkaufsständen.
Das Gasthaus „Zum Gemütlichen Eck“ (umgangssprachlich „Das Schwarze Loch“) inserierte Sonntag und Montag Kerbtanz mit der Kapelle Ramona. Zur Kerb lud ein die Gaststätte „Hessischer Hof“, Familie Heinz Friedrich, zum gemütlichen Aufenthalt bei gepflegten Speisen und Getränken.
Der Weidenseehof, Familie Edmund Roth, hatte gute Speisen, gepflegte Getränke, gemütlichen Aufenthalt anzubieten.
Das Weingut Ludwig Diehl aus Alzey-Schafhausen bot Samstag, Sonntag, Montag Alzeyer Weine,rheinhessischen Weinstand in Schaafheim zur Kirchweih.
Als zuverlässiger Getränkevertrieb warb Getränkevertrieb Michael Hartl.
Seit Jahrzehnten treffen sich die Kerbburschen in den Schaafheimer Gaststätten. So auch 1971 wie dem Schaafheimer Anzeiger Nr. 34 am Kerbfreitag, 27.08.1971 zu entnehmen.
Jahrgang 1940 in der Tulpe (Gasthaus „Lindenhof“) in der Adelungstraße, Jahrgang 1948/49 im Gasthaus „Schützenhof“,
Jahrgang 1942/43 im Weidenseehof, Jahrgang 1938 in der Gaststätte „Frühlingsau“, Karl-Ulrich-Straße.
Der Jahrgang 1920/21 wanderte am Kerbsamstag, 28.08.1971 nach Schlierbach zur Gastwirtschaft der Familien Engel/Schumacher (Gasthaus „Zur Rose“).
Von den fünf genannten Gastwirtschaften besteht zur heutigen Zeit nur noch das Restaurant „Schützenhof“. Die anderen Gasthäuser schlossen nach und nach im Laufe der Jahre.
Am Freitag nach dem Kerbwochenende berichtete der Schaafheimer Anzeiger in der Ausgabe Nr. 35 vom 03.09.1971 u.a.:
„Die Bewirtung der vielen Gäste in der Sport- und Kulturhalle und im Festzelt war diesmal dem Fußballclub Viktoria überlassen worden. Bei der Terminabsprache über die Belegung der Halle, die jedes Frühjahr im Rathaus stattfindet, hatten sich die Ortsvereine darauf geeinigt. Künftig soll die Bewirtschaftung der Halle an den Kerbtagen jeweils einem anderen Verein übertragen werden. Auf diese Weise haben die Ortsvereine die Möglichkeit, ihre Finanzen merklich zu sanieren.“
50 Jahre nach dieser Aussage ist die heutige Situation der Vereine eine andere. Sie haben sich mit diversen Problemen mehr oder weniger zu beschäftigen.
Was war sonst noch wichtig? Damals war Ludwig Perschbacher Bürgermeister im Schaafheimer Rathaus, in Bonn regierte Bundeskanzler Willy Brandt (beide SPD). Viele junge Männer hatten zur damaligen Zeit lange Haare — nach ihren Idolen Beatles oder Bee Gees — und mussten ab 1971 als Wehrpflichtige bei der Bundeswehr Haarnetze tragen.
Ein auch das Ortsbild prägendes Gebäude, der Saalbau „Frankfurter Hof“ in der Lindenstraße/Ecke Heinrichstraße, brannte am 22.04.1971 ab. Als Diskothek „Obelix“ war es zurzeit des Brandes genutzt worden.
Zwei Jahre in Folge hatten die Scheffemer auf der Kerb auf die Kerbborsche und den Kerbspruch verzichten müssen, und zwar in den Jahren 1969 und 1970.
Die Kerbburschen Jahrgang 1949/50, aus dem Jahr 1968, die zum damaligen Zeitpunkt als letzter Jahrgang traditionsgemäß gefeiert hatten, hatten noch im Schaafheimer Anzeiger Nr. 36 vom Freitag, 04.09.1970 an den Jahrgang 1952/53 appelliert, die Scheffemer Kerb 1971 wieder in altgewohnter Weise hochleben zu lassen.
Aber für den Jahrgang 1952/53 war klar, dass sie Kerbburschen werden und das Kerbbrauchtum pflegen. Sie stellten zehn Kerbburschen — ein bisschen wenig — und so gesellte sich der Jahrgang 1953/54 mit 14 Burschen dazu. Der Jahrgang 1953/54 wäre turnusgemäß ein Jahr später an Kerb 1972 dran gewesen.
Die Gruppe der 17- bis 18-Jährigen brauchte einen Kerbburschenvorstand, gebildet von Detlev Andiel, Reinhard Hübner und Reinhard Orth vom Jahrgang 1952/53 und Bernd Roth (Freundlichgasse) vom Jahrgang 1953/54.
Einen nicht zum Kerbburschenjahrgang gehörenden Kerbvadder gab es damals nicht. „Neumodischen Kram“ bezeichnen es die damaligen Kerbburschen. Kerbvädder kamen aus den eigenen Reihen, waren Vorstand, trugen Frack und Zylinder und hielten die Kerbrede.
Regelmäßig, jeden Freitag, ein Jahr lang trafen sich die jungen Burschen im Gasthof „Waldeslust“, „bei der Heide“ (umgangssprachlich auch bezeichnet: beim Diehle-Heune), Am Trieb (umbenannt, heute: Langstädter Straße).
In ihrer Freizeit stellten sie ein Jahr lang Erkundungen in Schaafheim an, um wichtige Ereignisse aufzuspüren, aufzuschreiben und als Kerbrede zu dichten. Den Kerbspruch schrieb eine kleine Auswahl der Kerbburschen selbst, alleine, ohne fremde Hilfe. Einen Ghostwriter brauchten sie nicht.
Zum Üben der Rede. diente der Balkon des Wartturms. Nicht alle waren eingeweiht. Es sollte ja geheim bleiben. Mit dem Schubkarren wurde ein Kasten Bier zum Wartturm hoch geschoben. Das muss man sich einmal vorstellen: auf einem holprigen Feldweg, nicht asphaltiert wie heute, und dann noch bergauf. Sie hatten es nicht gerade leicht, um die Rede in Ruhe üben zu können.
Für die Kerb musste ein Maskottchen her, und zwar ein Schaf vom Häuserhof in Radheim. Zur Besprechung mit dem Schäfer fuhren zwei mit dem Moped nach Radheim und derjenige auf dem Sozius hatte noch während der Fahrt die Kerbrede zu üben. Das Schaf wurde mit dem Traktor im Saukasten in Radheim eine Woche samstags vor der Kerb geholt und auf dem Bauernhof von Heinrich Roth in der Lenke von Kerbbursch Werner Roth bestens versorgt. Das Schaf kannte Stall, Wiese und seine Gefährten, aber keine Kerbburschen und keinen Kerbzug. Jeden Tag übten die Kerbburschen beharrlich und ausdauernd das Führen des Schafs mit Blasmusik aus. dem Kofferradio die Lenke rauf und runter. Einen der Burschen wählte das Schaf aus, dem es am meisten vertraute. Heinz Bertram durfte es im Kerbzug führen.
Unterstützung erhielten die Kerbburschen von Walter Ludwig Roth, dessen Sohn Bernd zu den Kerbburschen gehörte, in der Freundlichgasse. Im Rohbau seines Hauses (Freundlichgasse 4, heute: Elke Kruschina) konnten sie während der Kerbtage ihr Lager aufschlagen.
Am Kerbfreitag erfolgte der traditionelle Rundgang durch die Schaafheimer Gastwirtschaften, 18 an der Zahl.
Die Kerb begann sonntags um null Uhr mit dem Einzug der Kerbburschen ins Kerbzelt. In der Sport- und Kulturhalle spielte zu diesem Zeitpunkt die Kapelle „LMK-Combo“ „Die Scheffemer Kerb, die Scheffemer Kerb is do“.
24 Kerbburschen der Jahrgänge 1952/53 und 1953/54, ihr Kerbstoffel und ihr Maskottchen nahmen sonntags nachmittags am Kerbzug durch Schaafheims Straßen teil, musikalisch unterstützt von den Mosbacher Musikanten.
Im Anschluss an den Kerbzug begrüßten die Kerbvädder Reinhard Hübner und Bernd Roth die Scheffemer und hielten den Kerbspruch vom Fenster an der Giebelseite der Kulturhalle: „Ich grieß Eisch all in Schoffems Mauern, Ihr grouße unn Ihr kloane Bauern ...“
„Ein Kirchweihfest so richtig nach alter Väter Sitte verlebten die Schaafheimer ...“ berichtete der Schaafheimer Anzeiger Nr. 35 am 03.09.1971 nach den tollen Kerbtagen.