- Anekdote von Werner Sehnert, Kerbvadder 1958 -
Ein Ereignis das zum Vergessen zu schade ist... Im Vorfeld der Kerb 1958 kam uns zu Ohren, dass unsere Vorgänger, die Kerbborsche von 1957, während des Kerbzuges unseren Kerbstoffel entführen und verbrennen wollten. Dies wäre eine große Blamage für uns gewesen, wenn das Symbol der Scheffemer Kerb die Festtage nicht überlebt hätte.
Wer wie wir die Hünen um Adolf Schneider, Wilhelm Trippel, Karl Roth, usw. aus unserer Schulzeit kannten, und wie sie den A-Bund beherrschten (die jüngeren mögen ihre Väter und Großväter fragen, was ein A-Bund ist), dem war klar, dass wir mit 22 Kerbborsche, verteilt auf 5 Wagen und verschiedenen Fußgruppen keine Chance hatten deren Vorhaben zu verhindern.
Um einen Ausweg zu finden, gab es einige Krisensitzungen bis einer sagte: "Die Freggeling krie unsern Kerbstoffel nid, un wammern mim Hubschrauber oiflische losse!". Alle waren begeistert, aber wie kommen wir an einen Hubschrauber? Unter größter Geheimhaltung wurden erste Konakte geknüpft. Die Garnison in Babenhausen, die als sehr hilfsbereit galt, hatte kein Hubschrauber. Dann fuhren wir zur Jägerkaserne nach Aschaffenburg, was ebenfalls negativ war. Der nächstgelegene Fliegerhorst wäre Aschaffenburg-Nilkheim. Auf dem Heimweg, es war schon dunkel, fuhr die Abordnung mit 4 Kerbborsche und unserem Dollmetscher, Hans Mohr aus Babenhausen, mit dem VW Käfer ohne Anmeldung, direkt vor die Wache des Fliegerhorsts in Nilkheim.
Die Mienen der schwer bewaffneten Wachposten verfinsterten sich. Als dann noch aus dem, für amerikanische Verhältnisse kleinen Käfer 5 Männer ausstiegen, nahmen sie ihre Waffe von der Schulter und hielten sie vor die Brust. Vermutlich dachten sie an eine Invasion, denn zur damaligen Zeit hatten die Amis nur Angst vor der Maul- und Klauenseuche und vor dem Kommunismus. Nun auch vor uns.
Trotz alledem brachten wir irgendwie unser Anliegen vor. Die Mienen blieben weiterhin versteinert... bis das Wort "Folklore" gefallen war. Nach einem längeren Telefonat brachte man uns zur Standortkommandantur in eine unscheinbare Baracke, aber innen vom feinsten.
Da saß er nun, unsere große Hoffnung - Oberst Mc-Kensy - hoch dekoriert und ordenbehangen, an einem riesigen Mahagonischreibtisch, auf dem ein kleiner schwarz-rot-goldener Wimpel stand. An der Wand ein Sternenbanner, daneben ein Bild des damaligen amerikanischen Präsidenten Eisenhower. Eine Audienz beim Papst wäre kaum beeindruckender gewesen. Ein Wachposten blieb im Raum.
Dann brachten wir dem Oberst bei, dass ein Hubschrauber mit dem Kerbstoffel nach dem Kerbumzug auf der Kreuzung vor der Kulturhalle in Schaafheim landen sollte ... Kopfschütteln, Schweigen, erneutes Kopfschütteln. Der Redegewandheit und der guten Englischkenntnisse von Hans Mohr war es zu verdanken, dass man uns nicht sofort raus schmiss.
Dann sagte Mc-Kensy er wisse nicht wo Schaafheim liegt, auch nicht was Kerb bedeutet, erst recht nicht was ein Kerbstoffel ist. Er wusste aber plötzlich wo das "Schwarze Loch" war (damals ein bekanntes Tanzlokal im Heimatring) und seine Miene zusehends heller.
Plötzlich sagte er Ok! Wir können das Ding (Kerbstoffel) am besagten Termin morgen vorbei bringen und alles nehme seinen Lauf. So einfach hatten wir uns das dann doch nicht vorgestellt. Zweifel kamen auf, wenn die Amis nicht kommen, wäre die Blamage noch größer, wir hätten gar keinen Kerbstoffel mehr gehabt.
Trotz aller Bedenken brachten wir am Kerbsonntag morgens unter größter Geheimhaltung unsern Stoffel nach Nilkheim. Die Landezeit wurde auf 15 Uhr festgelegt.
Der Kerbumzug nahm wie üblich seinen Lauf. Die Kerb wurde gesucht. Die Kerb wurde gefunden, nur der Kerbstoffel wurde vermisst. Als sich der Umzug der Halle näherte, flog ein Hubschrauber über Schaafheim seine Runden, was sich außer uns Kerbborsche keiner erklären konnte.
Als die Besatzung des Hubschraubers aus der Luft die vielen Menschen sah, kamen ihnen Sicherheitsbedenken. Über Begleitpersonen am Boden bekamen wir mitgeteilt, dass der Hubschrauber nicht neben der Halle landen könne. Der Stoffel würde aus geringer Höhe über der Wiese neben der Halle (Sportplatz) abgeworfen.
Ein eiligst herbeigeschafftes Sprungtuch hat der Stoffel nur knapp verfehlt. Wir hatten, unter großem Jubel, unseren Kerbstoffel wieder, die Kerbborsche 1957 hatten das Nachsehen, die Amis hatten einen Orden mehr, in Form einer Kerbschleife "Scheffemer Kerb 1958", sowie einige Flaschen Kerbwein.
Im "Main Echo" stand: "Der Kerbstoffel fiel vom Himmel". Vom Protokoller der Karnevalssitzung war zu hören: "Vom Himmel kam der Kerbstoffel mit dem Hubschrauber". Unsere Nachfolger der Kerbborsche 1959 bedachten uns mit einer schönen Hubschrauberattrappe in ihrem Kerbzug.